Der Besuch zweier olympischer Spiele (Sydney und Athen) und einer Biathlon-Weltmeisterschaft im thüringerischen Oberhof ließen in uns (mir und Kuno) die Idee entstehen, dem nächsten Austragungsort der Winterolympiade 2006 Turin einen Besuch abzustatten. Als dritten Mitstreiter konnten wir den Lillehammer-erfahrenen Olympiareisenden Ronny gewinnen.

Auf die diversen Abstimmungs- und Buchungsarien für Hotel, Flug, Mietwagen und Olympiatickets möchte ich hier nicht eingehen, nur ein großes Dankeschön an Kuno!

Am 18.02.2006 sollte es in aller Herrgottsfrühe in Berlin-Tempelhof losgehen. Frisch geduscht, warm angezogen und mit Gepäckstücken von fünf bis zwölf Kilo ging es über Belgiens Hauptstadt in die Perle Piemonts – Turin. Die neunzig Minuten zwischen unserer Landung und dem ersten sportlichen Höhepunkt wurden durch die 15minütige Verspätung noch verschärft.

 

          

 

Aber schnell bei Sixt unseren Renault Scenic abgeholt und auf zum Palasport Olimpico. Auch die Parkplatzsuche gestaltete sich äußerst problemlos.

 

18/02/2006 13:00 Palasport Olimpico 40,00 €           

Eishockey – Männer Vorrunde Gruppe A Italien – Deutschland  3 : 3 (1:0, 0:1, 2:2)  

 

Und schon zeigten sich erste Schwächen der Olympiaorganisation. Schlechte Ausschilderung und die permanent fehlenden Englischkenntnisse der Volunteere und des Sicherheitspersonals. Der Einlass wurde uns auch noch erschwert, als in der „Security Screening Area (SSA)“ in Ronnys Rucksack zwölf als Wurfgeschosse getarnte Akkus gefunden wurden. Aber dank vieler Beschwichtigungen und heiliger Versprechungen betraten wir dann den Palasport Olimpico.

 

          

 

Leider lief das Spiel schon zehn Minuten. Aber da Italien mit 1:0 führte, war die Stimmung sehr beeindruckend. Im zweiten Drittel konnte die deutsche Mannschaft das Spiel an sich reißen. Das dritte Drittel war dann Spannung pur! Chancen hüben wie drüben. Glücklicherweise konnte unser Team noch kurz vor Schluss zum 3:3 ausgleichen!

 

Nach dem Spiel schauten wir uns noch kurz das Stadio Olimpico (früher Stadio Communale) an und entschlossen uns zu einem Spaziergang über einen der größten Märkte Norditaliens.

 

             

  

Kuno erwarb auch gleich längst verschollen geglaubte irdene Waren. Der Rest der Reisegruppe versuchte, den Verlockungen des südländischen Marktes zu entrinnen.

   

           

  

Nun wollten wir uns (besonders Ronny) beim Global Player der Fastfoodkultur stärken. Doch die Suche wurde trotz knurrender Mägen abgebrochen und wir begaben uns 50 km südlich von Turin – in die weltbekannte Weingegend um La Morra. Dort befand sich unsere Bleibe für die nächsten vier Tage und Nächte. An einem Weinhang gelegen, präsentierte sich unser kleines Hotel RED WINE Camere mit sehr netter Wirtin.

Kurz eingecheckt und im Nachbarort Barolo ein Restaurant gesucht. Aber diese Aktion artete in Verzweiflung aus.

Letztendlich ließen wir uns im Restaurant Breeza des Hotel Barolo nieder. Die Stunde Wartezeit – in Italien öffnen die Küchen erst zu später Stunde, in unserem Falle 19.00 Uhr - wurde uns mit einer liebevoll zubereiteten kalten Wurst- und Käseplatte verkürzt. Danach folgten ein Gang Pasta und als Hauptgang ein Kalbsbraten im Spinatbett bei vorzüglichem Wein aus der hauseigenen Weinkellerei.

 

          

 

Zum Abschluss des Tages erlebten wir dann noch deutsche Fernsehkultur und italienische Braukunst. Fazit: Beide sind nicht zu ertragen. Ich weiß jetzt, warum der Italiener lieber Wein trinkt!

 

Unser Sportsonntag begann um 05.30Uhr und nach einem ausgiebigen italienischen Frühstück (Espresso plus Nutellaschnittchen) im Hotel brachen wir auch gleich nach Pinerolo auf. Dort wollten wir uns bei McDonalds noch mit weiteren Leckereien und einem ordentlichen Kaffee stärken. Aber zuerst mussten wir eine halbe Stunde auf Öffnung des Restaurants warten, um  dann mitgeteilt zu bekommen, dass die Küche erst ab 11.00 Uhr auf italienischen Hochtouren läuft. Auf unsere Bestellung:„ I want a coffee, pure coffee, plain coffee- just a coffee“ wurde uns mit „Espresso?“ geantwortet. Nach weiteren schmunzelnden Diskussionen einigten wir uns auf einen „Kaffee Americano“ und verließen die gute Stube. Die schlechte Ausschilderung in Pinerolo nutzten wir zur Stadtrundfahrt durch das kleine idyllische Olympiastädtchen unweit Turins.

 

19/02/2006 09:00 Pinerolo Palaghiaccio 20,00 €       

Curling - Vorrunde Robin Tournament Männer                       

Deutschland-Schweden 7-5 , Italien-Finnland 4-7 , Norwegen-Neuseeland 9-6 , Großbritannien-USA 8-9

 

Auf dem heutigen Olympiazettel standen die Vorrundenwettkämpfe der Männer im vollkommen unterschätzten Spitzensport Curling. Nachdem Ronny wieder seine Wurfgeschosse in der SSA verharmlosen konnte, suchten wir uns in unserem Block drei Plätzchen zwischen zahlreichen Deutschen (alle aus Füssen) und US-Amerikanern. Beide Teams schienen ausschließlich von Verwandten und Bekannten unterstützt zu werden. Durch Smalltalk mit den Füssenern erlernten wir in nur zwei Ends die kompletten Spielregeln und erkannten sofort Strategien, Reiz und Schönheit dieser Sportart.

Als Highlights sind hier noch die Anfeuerungsrufe der deutschen Fans „ Rot ins Haus, Gelb muss raus!“ oder andersherum, der amerikanischen Fans „ Give me an U, give me a S, give me an A...USA! USA! USA!“ und der italienischen Volunteers „No flash please, No flash!” zu nennen.

 

          

 

Nach gut drei Stunden war der Spaß vorbei. Da wir noch über fünf Stunden bis zum nächsten Event an der Bobbahn in Cesana Zeit hatten, entschieden wir, über einen McDonalds- Zwischenstop (Ronny traute sich, sogar Nachschlag zu bestellen) kurz nach Turin zu fahren. Dort besichtigten wir das Automobilmuseum. Wer sich für die Geschichte des Automobils, für die Formel 1 und Ferrari an sich interessiert, sollte sich bei einem Turin-Besuch die Zeit nehmen.  

 

           

 

Nach zwei Stunden verließen wir das verregnete Turin und strebten gen Alpen. Unser Plan, bis Oulx und dann mit dem Shuttlebus bis nach Cesana Pariol zu fahren, scheiterte am fahrerischen Geschick Kunos. Auf Ronnys Bemerkung „in 1300 Metern müssen wir abfahren“, verließen wir schon nach 300 Metern die Autobahn und nach kurzem Umherirren befanden wir uns auch schon in der Schlange mit zahlreichen Shuttles und fuhren auf der Passstraße bis Cesana. Dort angekommen, fanden wir auch gleich einen Parkplatz und erlebten zum ersten Mal olympische Stimmung. Im traumhaft gelegenen Alpenort waren Fans aus vielen Ländern zu sehen und hören. Nachdem wir dann endlich eine englischsprechende Volunteerin gefunden hatten, wussten wir auch, welchen Bus wir zur Gondelbahn zu nehmen hatten, die uns zur Bobbahn bringen sollte.

 

19/02/2006 17:30 Cesana Pariol 50,00 €

Zweierbob Männer 3. und 4. Lauf

Gold: Deutschland 1 3:43.38 (André Lange, Kevin Kuske)    

Silber: Kanada 1 +0.21 (Pierre Lueders, Lascelles Brown) 

Bronze : Schweiz 1 +0.35 (Martin Annen, Beat Hefti)  

Vor der SSA war der Andrang schon groß. Das Sicherheitspersonal hatte die Suche nach Terroristen und Olympia-Hooligans wohl etwas verschärft. Nach gefühlten zehn Stunden waren wir dann endlich an der olympischen Bobbahn von Cesana Pariol. Zur hereinbrechenden Nacht fing es auch an zu schneien. Ich fragte einen Volunteer kurz nach unserem Sektor und er sagte mir mit seinem nach oben zeigenden Arm „you have to go 700 meters down!“. Dank seiner Armbewegung konnte ich aber seinen Worten folgen und wir begaben uns gemächlich in Richtung Start. Auf dem Weg nach oben mussten wir feststellen, dass der Bobsport an sich sehr interessant, aber vom Fernsehsessel aus wesentlich besser zu schauen und zu verfolgen ist. Zum Schluss des dritten Laufes erklommen wir  die Tribüne am Start und unser Bob Deutschland I lag in Führung. Gold für Deutschland lag in der Luft und auch der Schneefall wurde immer stärker.

 

           

 

Nach den ersten zehn Bobs im vierten Lauf entschieden wir, uns wieder langsam nach unten zu begeben, und so erlebten wir in der Nähe von zahlreichen Schweizern mit riesigen Glocken zwischen ihren Beinen in Kurve 14 die Goldmedaille für unseren Bob. Der Jubel war groß und die Schneeflocken wurden immer größer.

 

           

 

Mit der Gondelbahn ging es dann wieder Richtung unseres Gefährts. Leider war der Busverkehr wegen der widrigen Wetterbedingungen sehr unregelmäßig. So hieß es: weiter zu Fuß! Dass ich dann unter ein stehendes Auto geriet, sorgte für kurzes aber ausgiebiges Gelächter in der Reisegruppe. 

Am Auto angekommen, wurde erst einmal unser Parkplatz in Männermanier für den folgenden Dienstag farblich markiert und das Auto mit bloßen Händen freigeschaufelt. Mit M+S- Reifen ausgerüstet schlichen wir im Schritttempo in Richtung unseres Hotels. Für die gut 100 km benötigten wir dann auch über vier Stunden. Die letzten Kilometer nach La Morra sollten die schwierigsten werden. Es ist wirklich von Nachteil, bei solchem Winterwetter auf einem Weinberg zu wohnen. Kurz vor La Morra ging nichts mehr. Auch das ständige Anschieben durch Ronny und mich brachte uns nicht weiter. Also umdrehen und auf der anderen Seite des Berges versuchen, den „8000er“ zu erklimmen. Hier zahlte sich jetzt die Zusammenstellung der Reisegruppe aus, ein versierter bequemer Autofahrer und zwei durchtrainierte Ausdauersportler. Wir schoben den Wagen dann fast bis zum Hotel, befreiten den Hotelparkplatz unter den Augen unserer Zimmernachbarn von Eis und meterhohen Schnee und fielen dann total fertig ins Bett.

 

Als ob wir bei der Reiseplanung die Tortur der Vornacht erahnt hätten, stand auf unserem Olympiazettel heute ein Ruhetag mit Sightseeing in Turin.

 

           

 

Nach bewährtem Frühstück machten wir uns auf. Unser Auto stellten wir am schwedischen Generalkonsulat ab - in Europa ist es dort immer noch sicher! Per pedes erkundeten wir dann die Olympiastadt – zahlreiche Piazzen, die Mola Antonelliana (das Wahrzeichen Turins), die Medals Plaza, den Bronzereiter an der Piazza San Carlo, das Rathaus, die Universität und zahlreiche Shopping-Paradiese für Menschen mit sehr gut gefüllten Brieftaschen oder goldenen Kreditkarten.

 

           

Ansonsten wirkte die Millionen- und Industriestadt im Nordwesten Italiens sehr kalt und grau und dass hier gerade olympische Spiele stattfinden, war auch nicht zu fühlen oder zu merken! In einer Pizzeria ließen wir uns von der heimischen Küche überzeugen. Auch Ronny war mal mit dem Essen zufrieden. Am Torino Porta Nuova wurden dann die Wunschzettel der Daheimgebliebenen abgearbeitet. Nach ausgiebigem Einkauf in einem Supermarkt begaben wir uns zum Stadio delle Alpi, in dem Juventus Turin seine Heimspiele bestreitet. Meine Bitte auf Einlass wurde vom minderjährigen Pförtner mit der Herausgabe von zehn Programmheften beantwortet.

Wieder im Hotel angekommen, schauten wir uns noch die peinliche Vorstellung unserer deutschen Schanzenjäger im TV an und vernichteten genüsslich den Supermarkteinkauf!

 

Eine weitere „sehr ruhige“ Nacht wurde vom Klingeln unserer Wecker abrupt und herzlos beendet. Den Olympiazettel herausgeholt und..... Biathlon und Eishockey waren heute in unserem Programm. Das Frühstück wurde im Vorbeigehen inhaliert und dank unserer Erfahrungen und der Markierungen vom Sonntag waren wir schnurstracks an unserem Parkplatz in Cesana.

 

           

 

Per Gondel ging es dann aber heute ein Stück weiter, wobei von der Gondel aus die Bobbahn von Cesana Pariol und dann auch das Biathlon-Stadion von Cesana San Sicario gut zu überschauen waren.

 

21/02/2006 12:00 Cesana San Sicario 50,00 €

Biathlon - Männer 4 x 7,5 km Staffel

Gold: Deutschland 1:21:51.5 (Ricco Groß, Sven Fischer, Michael Greis, Michael Rösch)    

Silber: Russland +20.9 (Sergei Tchepikov, Pavel Rostovtsev, Nikolai Krouglov, Ivan Tcherezov)    

Bronze: Frankreich +43.6 (Ferréol Cannard, Vincent Defrasne, Raphaël Poirée, Julien Robert)  

 

Die Einlassphase in der SSA gestaltete sich diesmal sehr kurz . Bei strahlendem Sonnenschein betraten wir das Biathlon-Stadion und enterten unsere Plätze.

 

           

 

Links neben uns eine Reisegruppe aus Weißrussland und rechts ein Pärchen aus den USA. Vor uns zwei deutsche aus Baden mit deutschem „Facepainting“ und Pickelhaube auf dem Kopf.  Die beiden Gestalten wurden zum favorisierten Fotomotiv der Tribüne und ein dänischer TV-Sender bat die beiden sogar zum Interview. 

 

          

 

Kuno hatte im Stern-online dann auch noch einen "Statistenauftritt" - Bild =>

Stern online - Olympia Turin 2006 - Fan-Wahnsinn in den Alpen

 

Die Stimmung war super und unsere Erwartungen groß. Nach dem ersten Wechsel lagen die Biathlon-„Exoten“ USA und Tschechien vorn. Doch unser Quartett zeigt eine Weltklasseleistung und holte sich verdient Gold. Die Blumenzeremonie war beindruckend. Kuno konnte durch geschickten Einsatz seiner Ellenbogen hervorragende Bilder machen.

 

                

 

Diesen überzeugenden Sieg unserer Biathleten feierten wir anschließend in einem der Partyzelte mit lautstarken Norwegern und einigen Franzosen an unserem Tisch.

Nach dem Besuch im offiziellen Olympiashop wurde mein Ansinnen, eine Toilette zu besuchen, vom lauten Geschrei meiner Mitstreiter verhindert. Olympiasiegerin Kati Wilhelm hatte zur „Autogrammstunde“ geladen.

 

                       

 

Mit den Autogrammen in unseren Taschen ging es dann per Gondel und Bus wieder zum Auto. Die Abfahrt gestaltete sich diesmal wesentlich einfacher. Mit dem Ziel der Nahrungsaufnahme machten wir noch kurz Zwischenhalt in Susa. Doch auch hier waren die Pizzeriaöfen noch nicht angeworfen. Kuno und Ronny langten in einem Stehimbiss zu. Das schien den beiden aber nicht genug gewesen zu sein. Erstes Ziel in Turin war der McDonalds am Stadio delle Alpi. Da konnte ich natürlich auch nicht nein sagen. Das beleuchtete Stadion vor der Tür und der italienische Kindergeburtstag im Restaurant machten den Besuch zum Erlebnis. Vom Menü 4 gestärkt und vom Lärm betäubt, machten wir uns zum Palasport Olimpico auf. Als Parkplatz wählten wir clevererweise den Marktplatz vom Samstag.

 

21/02/2006 20:30 Palasport Olimpico 40,00 €

Eishockey – Männer Vorrunde Gruppe B USA – Russland 4 : 5 (1:2, 1:1, 2:2)

Rechtzeitig vor Ort kuschelten wir mit den „Hug-me-Girls“ vor der Halle und  konnten auch noch ein Getränk zu uns nehmen. Ronny plünderte anschließend den Olympiashop und Kuno bewies, dass man auch in einer Halle, in der man schon einmal war, Hunderte von Bildern machen kann! Zur Erzeugung von Spannung verteilten wir diesmal die Sympathien – Ronny und Kuno für Russland und ich für die USA. Es entwickelte sich ein spannendes Spiel, das die Russen verdient aber knapp gewannen.

 

           

 

Leider habe ich vom Spiel nicht viel mitbekommen, da eine Eishockey-Expertin aus Tempelhof bei mir einen SMS- Newsticker bestellt hatte. Bei neun Toren hatte ich ständig auf meiner Handy-Tastatur zu tippeln.

Die Rückfahrt nach La Morra war sehr ereignislos. Im Hotel wurden die letzten Reste des Supermarkteinkaufes vertilgt und die ersten Fazits der Reise und des Erlebten gezogen.

 

Auch am Abreisetag wollten wir nicht auf unser Frühstück verzichten. Schnell die Taschen gepackt, das Auto beladen und schon ging es auf bekannten und liebgewordenen Mautstrassen zum Turiner Flughafen.

 

          

 

Auf den Flughäfen von Turin und Brüssel wurden die letzten Valuten verbraucht und nach kurzweiligen fünf Tagen quer durch die Alpen hatte uns Berlin wieder.